Einladende Recruitingverfahren
Max war in der Gesamtschule ein bestenfalls mittelmäßiger Schüler, hasste die Schule und freute sich darauf nach der zehnten Klasse endlich Geld zu verdienen. Er hatte schon als Schüler in der Veranstaltungstechnik ausgeholfen, Bühnenteile geschleppt und verkabelt. Er zeigte hier großes Engagement, schnelle Auffassungsgabe und technisches Verständnis. Nun träumte er davon, eine „Elektro-Ausbildung“ wie Jan, sein Kollege aus der Veranstaltungsbranche zu machen. Der hatte ihm auch gesagt, dass man diese Ausbildung besser nicht in der Veranstaltungsbranche lernen solle, sondern in einem „soliden Unternehmen“. Zum Beispiel in einem Stadtwerk.
Nun wurde es schwierig: In sozialen Netzwerke wie Whattsapp, TikTok oder Insta, auf denen sich Max normalerweise bewegt, fand er wenig zu solchen ernsten Themen wie Ausbildung. Irgendwie gehört das Thema für ihn hier auch nicht hin. Mit dem Handy fand er auf der Homepage des örtlichen Stadtwerkes Informationen, verstand aber dennoch nur Bahnhof: Ist der der „Elektroniker für Betriebstechnik“ nicht viel zu hoch für ihn und ist dann nicht eine Stelle in einem kleinen Elektriker-Betrieb nicht doch besser? Ist Elektroniker oder Elektriker denn das gleiche? Wenn es doch nur besser lesen könnte! In Mathe war er immer gut, aber Lesen und Schreiben war noch nie seine Stärke. Er zeigte Jan die Stellenanzeige und der klärte ihn auf. Nun wollte er sich bewerben.
Das nächste Problem: Er las „Dann sende uns deine kompletten Bewerbungsunterlagen inkl. der letzten beiden Schulzeugnisse bis zum 16.03.2025 per Email als PDF- Datei an personal@stadtwerke.de.“
Max kann fantastisch mit seinem Android-Handy und einem Tablet umgehen, aber wie macht man denn ein pdf? Ein Notebook hat niemand in der Familie. Anschreiben und Lebenslauf wird auch schwierig. Und vor einem Gespräch mit den Leuten im Unternehmen hatte er auch Respekt. So ganz sicher war er sich auch nicht, ob sich das Ganze lohnt. Die Zeugnisse sind genau gesehen auch nicht so überzeugend.
Man kann nur hoffen, dass sich Max getraut hat. Ich bin im „Forum Assessment e.V.“ in einer Arbeitsgruppe von Unternehmen, die sich Gedanken machen, wie sie die Anmeldezahlen für operative Funktionen erhöhen. Bei der Erstellung von Auswahlverfahren orientiert man sich in der Regel kaufmännischen Funktionen und setzt Lesegeschwindigkeit und Textverständnis komplexer Fragen ebenso voraus wie die Fähigkeit sich schriftlich und mündlich eindeutig zu artikulieren. Weiterhin geht man von der Nutzung digitaler Endgeräte aus, die nicht immer vorliegen.
Wenn- wie in einer Studie von Grotlüschen aus dem Jahr 2018 beschrieben – 12% der Erwerbstätigen in Deutschland nicht oder nur unzureichend lesen und schreiben können – machen dann unsere schriftlichen Bewerbungsprozesse überhaupt Sinn, wenn ich keine kaufmännischen Angestellten sondern Stellen der gewerblichen Mitarbeit besetzen will?
Eine Analyse des bestehenden Einstellungsprozesses ergibt sicher in jedem Unternehmen Sinn. Richtig kritisch wird es aber, wenn ich darauf angewiesen bin, eine große Zahl Interessenten für einfache, unbesetzte Stellen zu gewinnen wie in der Logistik, in der Pflege oder im Handel.
Mögliche Maßnahmen, die Firmen ergreifen sind beispielsweise die Ergänzung des Angebots von Schnuppertagen, die Ansprache auf TikTok oder die Erhebung des Lebenslaufes zu einem späteren Zeitpunkt. Wenn Dich das Thema interessiert, lade mich gern ein und ich schaue mit Dir und euch auf Ablauf, Diagnostik und Alternativen. Gehe einfach über den Kontaktbereich unten auf der Seite.