đź“„Arbeitszeugnisse richtig lesen

Arbeitszeugnisse zu schreiben und zu lesen ist Alltag in Personalabteilungen. Sie sind auf den ersten Blick formal und standardisiert und müssen wohlwollend und positiv formuliert sein. Dennoch sind sie ein sensibles Kommunikationsinstrument. Selbst wenn nicht jeder Arbeitszeugnis-Verfasser die gleichen Regeln im Kopf haben dürfte, lassen sich nicht nur Leistung und Verhalten, sondern auch Zwischentöne, die viel über die Passung einer Person verraten, herauslesen. Das gilt auch für Arbeitszeugnisse aus Tätigkeiten in kleinen Handwerksbetrieben.

Wichtig daher: Arbeitszeugnisse mĂĽssen im Kontext gelesen werden

Ein Arbeitszeugnis ist kein isoliertes Dokument. Es muss stimmig sein in Beziehung zu Lebenslauf, Werdegang und Gesprächseindruck. Ein mittelmäßiges Zeugnis kann aus einem unprofessionellen Zeugnisprozess beim letzten Arbeitgeber stammen – nicht zwingend aus mittelmäßiger Leistung. Entscheidend ist die Gesamtbewertung, also die Summe der Bewertungen und das Zusammenspiel dieser Bewertungen.

Im Folgenden findest Du die fĂĽnf wichtigsten Beobachtungen, die bei der Interpretation von Arbeitszeugnissen helfen.

  1. Der Ton macht die Musik

Wohlwollend muss ein Zeugnis sein – doch „wohlwollend“ bedeutet nicht automatisch „ehrlich positiv“. Schon kleine sprachliche Unterschiede verändern die Aussage:

„stets mit großem Engagement“ – positiv und anerkennend

„mit Engagement“ – neutral

„erfüllte die Aufgaben“ – distanziert
Achte mal auf Intensitätswörter („stets“, „immer“, „sehr“) und die sprachliche Wärme im Text. Der Tonfall verrät oft mehr als einzelne Formulierungen.

  1. Noten zwischen den Zeilen

Die berĂĽhmten Zufriedenheitsformeln sind der Kern der Leistungsbewertung und den meisten Verfassern bekannt, daher :

„stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ = sehr gut

„stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ = gut

„zu unserer Zufriedenheit“ = befriedigend

„im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“ = mangelhaft

Schon das Fehlen von „stets“ kann die Bewertung um eine Note verschieben. Auch die Reihenfolge der Leistungsaspekte ist bedeutsam: Was zuerst genannt wird, gilt meist als wichtiger.

  1. Verhalten: Wer genannt wird, zählt

Der Abschnitt zum Sozialverhalten ist ein besonders sensibler.
Feinheiten, die man beachten sollten:

Positiv: „gegenüber Vorgesetzten, Kolleg:innen und Kund:innen stets einwandfrei“

Neutral: „gegenüber Kolleg:innen korrekt“

Besonders auffällig: Bestimmte Gruppen fehlen (z. B. Kund:innen oder Vorgesetzte).
Fehlende Erwähnungen sind keine Zufälle – sie deuten oft auf Schwächen in genau diesen Beziehungen hin.

  1. Der Schlusssatz als Stimmungsbarometer

Der freiwillige Schlusssatz ist emotional, aber aussagekräftig:

„Wir bedauern ihr Ausscheiden sehr und wünschen ihr weiterhin viel Erfolg.“
signalisiert Wertschätzung.
Fehlen Bedauern oder gute Wünsche („Wir wünschen alles Gute“) kann das Distanz ausdrücken.
Auch der Austrittsgrund ist aufschlussreich:

„auf eigenen Wunsch“ → freiwillig

„im gegenseitigen Einvernehmen“ → häufig Konflikt oder Trennungssituation

„betriebsbedingt“ → struktureller Grund

  1. Konsistenz ist entscheidend

Ein gutes Zeugnis ist in sich stimmig: Aufgabenbeschreibung, Leistungsbewertung und Verhalten sollten zusammenpassen.
Ein Beispiel: Wenn jemand „stets hervorragende Leistungen“ zeigt, aber seit Jahren die gleiche Position innehat und das Zeugnis kühl formuliert ist, stimmt das Bild nicht ganz.
Achte daher auf Plausibilität und Kohärenz – und vergleiche mit Lebenslauf und Referenzen.

Die Auffälligkeiten lassen sich im Vorstellungsgespräch hinterfragen und klären. Wer Interesse an einem Workshop zu Interview- und Fragetechniken hat, melde sich gern. 2026 werden wir Interview-Schulungen für Recruitingfunktionen anbieten und parallel Lehrvideos produzieren.

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