Warum regt der mich eigentlich immer so auf?

Es gibt Menschen, die uns regelrecht zur Weißglut treiben können – und das, ohne dass wir so richtig benennen können, was uns denn an ihnen so nervt. Manchmal sind es bestimmte Kolleg*innen, auf die wir wie auf ein Stier auf ein rotes Tuch reagieren. Sie müssen gar nicht viel sagen. Es reicht schon oft, dass diese so sind, wie sie sind. Wir geraten in „Wutfantasien“, weichen diesen Personen aus oder bewerten diese sehr hart. Nicht nur im kleinen Kreis, auch Personen in der Öffentlichkeit werden von bestimmten Menschen oftmals sehr hart beurteilt und bekommen Ärger, Wut und Haß zu spüren.
Wenn man genau hinschaut, gibt es die Frage: Warum regen uns bestimmte Personen so viel schneller und mehr auf als andere – und das scheinbar, ohne dass sie etwas Bestimmtes sagen oder tun? Es ist anscheinend nicht dieses eine Wort, das sie ständig verwenden oder ihre Stimmlage.
Die Antwort liegt ganz woanders, da ist sich die Psychologie einig. Die Antwort liegt in uns selbst. Was uns an anderen nervt, spiegelt uns selbst – wir geraten in eine „Projektion“.
Es ist tatsächlich unsere eigene Wahrnehmungsfärbung, die dafür sorgt, dass uns bestimmte Menschen auf die Nerven gehen. Es gibt einen Unterschied zwischen einem normalen Ärger, der beispielsweise auftritt, wenn mir jemand als Autofahrer die Vorfahrt nimmt. Nach dem Schreck folgt oft der Ärger und dann ist Schimpfen in Ordnung. Schimpfen entlastet und lässt den Adreanalinspiegel wieder sinken. Wenn ich den „Verkehrsrowdy“ aber am nächsten Tag im Supermarkt treffe und ihm Prügel androhen möchte, ist das eine Projektion. Die Reaktion ist jetzt nicht mehr angemessen. Der Verkehrsrowdy bekommt gerade eine aufgestaute Wut ab, die ich mir nicht zugestehe. Vielleicht bin ich unzufrieden mit meinem Leben, meinem Job, meiner Figur, meiner immer viel zu großen Hilfsbereitschaft und damit, dass mich niemand ernst nimmt. Der Verkehrsrowdy hat mir einen Vorwand geliefert, mich moralisch überlegen zu fühlen und ich erlaube mir, dass nun auszuleben. Besonders die Emotionalität schießt nun hoch und ich „koche“. Dass der „auch noch so frech hier einfach einkauft, als wäre nichts gewesen“, begründet meinen Ärger in dem Moment.
Also: Bei einer Projektion projizieren wir unsere eigenen Gefühle, Eigenschaften und inneren Konflikte auf Situationen mit anderen Menschen. Anstatt uns damit auseinanderzusetzen, spiegeln wir unsere Traumata – und laden sie damit auf die Person ab, die uns vermeintlich schon mit ihrer bloßen Existenz furchtbar aufregt. Projektionen funktionieren somit als Schutzmechanismus, der dafür sorgt, dass ich mich nicht mit mir selbst auseinander setzen muss. Im Fokus sind daher immer andere.
Wenn eine Reaktion auf eine Person sehr stark und vor allem verdächtig emotional ausfällt, ist es eine Projektion. Sprich: Auch wenn wir das Gefühl haben, dass unsere Reaktion auf diesen Menschen zumindest teilweise gerechtfertigt ist, weil er sich einfach anstrengend oder nervig verhält, sind unsere Gefühle dazu vermutlich deutlich größer als rational in dieser Situation angebracht. Hier projizieren wir Schattenelemente unserer selbst auf die Situation, die meist gänzlich unbewusst sind.
Man kann sie aber natürlich nutzen, um sich mit den eigenen ungelösten Konflikten auseinander zu setzen, die uns nicht so leicht fallen. Themen wie das Akzeptieren der eigenen Hilflosigkeit, aber auch von Enttäuschungen und Kränkungen gehören in Ruhe beleuchtet, damit sie ihr „Gift“ verlieren. Im Coaching oder in der Therapie lassen sich solche Themen oft aufarbeiten. Gute Gespräche mit wirklich guten und ehrlichen Freund*innen helfen hier ebenfalls oft weiter. Auch die ehrliche Reflexion dessen, was das Ziel der Projektion hat, was Du nicht hast, bringt Dich weiter.
Im Coaching kann man systematisch auf die Suche gehen und lockerer werden. Probiere es gern aus.