Wie erkenne ich, ob mein Beschäftigter die „Arbeit sieht“?

Ich bin mit viel Freude am Austausch aktiv im „Forum Assessment e.V.“. Dieser Verein begleitet schon seit den Achtzigerjahren die Weiterentwicklung von diagnostischen Personaleinschätzungen im Recruiting und Talent Management und setzt für handwerklich und wissenschaftlich fundierte Methoden ein. In diesem Verein tummeln sich angesehene Wissenschaftler aus der Psychologie sowie erfahrene Personaldiagnostiker aus Organisationen und Beratungsunternehmen. In Arbeitsgruppen werden Kongress-Beiträge erarbeitet, Lehrbücher publiziert und wissenschaftliche Arbeiten gefördert. Die Gruppen nehmen aktuelle Themen wie KI in der Personalarbeit oder genderfaire Auswahlverfahren auf und ich beschäftige mich in meiner Gruppe um die Diagnostik „Operativer Laufbahnen“.
Bedingt durch die knappen Bewerbendenzahlen in vielen niedrig qualifizierten Bereichen geht es hier darum, Potenziale zu erkennen- auch wenn Bildung und Sprachkenntnisse (noch) fehlen. Es gilt auch bei geringen Sprachkenntnissen und Bildungslücken mit dem Blick auf konkrete operative Umsetzungsanforderungen fundierte Entscheidungen zu treffen. Noch viel wichtiger aus meiner Sicht sind dann fundierte Entwicklungsempfehlungen auszusprechen. Hier warten aufgrund eines herausfordernden Marktes besondere Anforderungen auf Personalverantwortliche. Wenn Sprachkenntnisse fehlen und Bildungsrückstände eine klassische Einschätzung von Potenzialen mit Tests oder Interviews erschweren, müssen neue Wege gefunden werden.
Anforderungen an solche Verfahren wären: Leicht und ohne ständigen Beratungsaufwand von den Leitungspersonen selbst umsetzbar, in weniger als 30 Minuten abzuschließen und mit sehr engem Bezug zur Tätigkeit. Es hat nicht den Anspruch allgemeine Aussagen zu erzielen, sondern Aussagen zum Potenzial für genau die im Unternehmen angestrebte Tätigkeit.
Wer sollte das besser einschätzen können, als die operativen Führungskräfte selbst. Fragt man diese, haben sie oft schon jahrelanger Expertise und ihre ganz eigene Methoden. Diese können schon mal sehr subjektiv sein und auch nicht jedes Kriterium lässt sich verwerten. Befreit man ein solches Kriterium von unzulässigen beispielsweise rassistischen Anteilen und arbeitet den Kern des Kriteriums heraus, finde ich leicht ein akzeptiertes Entscheidungskriterium. Dieses lässt sich dann an durchschnittlichen Alltagsanforderungen entlang kategoriesieren, systematisieren unf auf die Aussagequalität prüfen.
Das Besondere an unserer Idee ist es, dass wir viel Akzeptanz erreichen, da wir lediglich die vorwissenschaftlichen Methoden zu veredeln versuchen, die Auswählende aus der Erfahrung heraus schon nutzen. Wenn es Auswählenden im Handwerk oder in der Pflege wichtig ist, dass Beschäftigte einen Blick für die anliegenden Aufgaben entwickeln und diese auch verantwortlich und unkompliziert abschließend beenden, ist das genau das zu operationalisierende Kriterium. Dazu habe ich immer die motivationale Komponente, denn die Skills können erst sinnvoll geschult werden, sobald eine Identifikation mit den Aufgaben vorliegt. Als Basiseinschätzung können einzelne handwerkliche Aufgaben umgesetzt werden.
Im Alltag sind es auch kulturelle Unwuchten, die dazu führen, dass Personen nicht mehr motiviert in einem Unternehmen arbeiten wollen. Wer als eine Minderheit immer begrenzt wird, beispielsweise als Frau dummen Sprüchen einzelner Kollegen ausgesetzt wird oder als Umweltaktivist von Kollegen als „Terrorist“ verspottet wird, wird in diesem Unternehmen kaum dauerhaft Identifikation entwickeln können. Daher ist es wichtig, dass das Instrument selbst in der Umsetzung soziale bias verhindert, aber empfindsam mit den Gründen der geringen Identifikation umgeht. Das Instrument sollte mit der Frage abschließen, was brauchst Du, um (noch) mehr Interesse an dem Arbeitsfeld zu entwickeln?